Freitag, Juli 08, 2005

Grünes Licht für Recherche in Amtsstuben

Das Informationsfreiheitsgesetz (IFG) hat die heutige Bundesratssitzung ohne Einspruch passiert. Es wird wie geplant zum Januar 2006 in Kraft treten. Diesen Schritt zu mehr Transparenz begrüßt das Bündnis von Journalisten- und Bürgerrechtsgruppen zur Durchsetzung der Informationsfreiheit nachdrücklich. Die Journalistenorganisationen Netzwerk Recherche, Deutscher Journalisten-Verband (DJV) und Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union in ver.di (dju), die Anti-Korruptionsorganisation Transparency Deutschland sowie die Bürgerrechtsvereinigung Humanistische Union bezeichneten die Entscheidung von Bundestag und Bundesrat als notwendig und überfällig. " In der Europäischen Union ist endlich auch für Bürger in Deutschland der Weg frei für eine effektive Beteiligung an Entscheidungsprozessen, für Journalisten zur erweiterten Akteneinsicht bei Bundesbehörden", kommentierte der DJV-Vorsitzende Michael Konken die Entscheidung. "Wir sind erleichtert, dass dieses wichtige Transparenzgesetz nicht wahltaktischen Manövern zum Opfer gefallen ist. Die nach diesem Gesetz mögliche Recherchearbeit von Journalisten wird auch die Qualität des Journalismus positiv beeinflussen können."
Das IFG führt für die öffentlichen Stellen des Bundes ein allgemeines Informationszugangsrecht ein. Jeder Bürger kann danach Einsicht in Verwaltungsakten nehmen oder Kopien dieser Unterlagen beantragen. Eine persönliche Betroffenheit oder eine Antragsbegründung sind nicht erforderlich. Vielmehr ist die Behörde in der Begründungspflicht, falls sie glaubt, die begehrten Informationen aufgrund von Ausnahmeklauseln - z.B. Datenschutz oder Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen - nicht freigeben zu können.
Am 3. Juni war das Gesetz vom Bundestag in 2. und 3. Lesung beschlossen worden. Hätte der Bundesrat heute den Vermittlungsausschuss angerufen, wie von der Union beabsichtigt, hätte dies wegen der vorgesehenen Bundestagswahl aus Zeitgründen das Ende des Reformprojekts bedeutet. Die FDP verhinderte diese Blockade, indem sie in den schwarz-gelb regierten Ländern für den entscheidenden Antrag eine Stimmenthaltung durchsetzte.

Dr. Manfred Redelfs vom Netzwerk Recherche betonte, konstruktive Kritik der Medien werde immer wichtiger. "Das IFG bietet für hintergründigen und fundierten Journalismus ein wichtiges Instrument der Informations-beschaffung. In diesem Sinne belebt ein gründlicher Journalismus die Demokratie." Gleichzeitig hätte er sich ein mutigeres Gesetz gewünscht: "Leider zeigt der lange Katalog der Ausnahmen vom Transparenzgebot, wie erbittert der Widerstand aus der Verwaltung gewesen ist." Auf Druck der Ministerialbürokratie sind zum Schutz öffentlicher Belange etliche Klauseln in das Gesetz aufgenommen worden, die eine Informationsverweigerung zulassen, etwa bei fiskalischen Belangen oder zum Schutz der öffentlichen Sicherheit.

Als wichtiges Instrument der Korruptionsprävention lobte Transparency Deutschland das neue Gesetz: "Wer mit öffentlicher Kontrolle rechnen muss, wird vor Machtmissbrauch eher zurückschrecken. Es ist deshalb wichtig, das Gesetz jetzt bekannt zu machen und für seine Nutzung zu werben", so Dr. Hansjörg Elshorst, Vorsitzender der deutschen Sektion von Transparency International.

Dr. Christoph Bruch von der Humanistischen Union verwies darauf, dass die Informationsfreiheit in vielen anderen Ländern Verfassungsrang hat. "Deutschland hat sich dagegen schon mit einer einfachgesetzlichen Regelung überaus schwer getan", so Bruch. Kritisch bewertete er die Gestaltung der Antwortfristen: "Mit der Einführung einer "Soll-Bestimmung" statt verbindlicher Fristen besteht die Gefahr, dass eine kooperations-unwillige Verwaltung die Antwort auf den Sankt Nimmerleinstag verschiebt." Positiv hob er hervor, dass ein Bundesgesetz jetzt auch die Bundesländer ermutigen wird, eigene Informationsfreiheitsgesetze zu verabschieden, so wie in Brandenburg, Berlin, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen bereits geschehen.

Frühere Versuche, ein IFG auf Bundesebene einzuführen, waren stets am Widerstand der Verwaltung gescheitert, obwohl das Reformprojekt 1998 und erneut 2002 in die Koalitionsvereinbarungen aufgenommen worden war. Daraufhin hatte das Aktionsbündnis aus Netzwerk Recherche, DJV, dju, Transparency International und Humanistischer Union im April 2004 einen eigenen Gesetzentwurf an Bundestagspräsident Thierse übergeben und an alle Abgeordneten verschickt. "Offenbar war es nötig, den Gesetzgebungsprozess durch Druck aus der Zivilgesellschaft zu befördern", so Ulrike Maercks-Franzen, Geschäftsführerin der dju.

Donnerstag, Juli 07, 2005

Aufnahme neuer Landesverbände in den DJV rechtswidrig

Pressemitteilung 7. Juli 2005

Landgericht Berlin bejaht Schadensersatzansprüche gegen DJV-Bundesverband

Die Aufnahme von zwei weiteren Landesverbänden in Berlin und Brandenburg durch den Deutschen Journalisten-Verband (DJV) ist nach Auffassung des Landgerichts Berlin rechtswidrig. Im November vergangenen Jahres hatte der DJV-Verbandstag zwei neu gegründete Vereine in Berlin und Brandenburg als Landesverbände aufgenommen: Dagegen haben die in beiden Bundesländern bereits bestehenden Landesverbände - der DJV Berlin und der DJV-Brandenburg - geklagt.

Das Landgericht Berlin stellte nun fest (AZ: 16 O 714/04): Die Aufnahme der beiden neuen Vereine verstößt gegen die Satzung des DJV. Dennoch wird es in beiden Ländern zunächst weiterhin je zwei Landesverbände geben - denn die Aufnahme der neuen Vereine in den DJV-Bundesverband machte das Landgericht nicht rückgängig: Es meinte, die Aufnahme sei ein Vertrag, der gerichtlich nicht anfechtbar sei. Gegen diese Entscheidung werden die klagenden Landesverbände Berufung einlegen.

Die Richter machten zugleich klar, daß der DJV Berlin und der DJV-Brandenburg wegen der rechtswidrigen Aufnahme Schadensersatzansprüche gegen den Bundesverband geltend machen können. Über die Höhe des Schadens wird im November weiterverhandelt - und dieser Schaden wird beträchtlich sein: Es geht hier vor allem um Mitgliedsbeiträge, die den älteren Verbänden fehlen, da inzwischen etwa 1.000 Mitglieder - teils mit massiver Unterstützung des DJV-Bundesverbandes - die Vereine gewechselt haben.

Der Stellv. Vorsitzende des DJV Berlin, Jan Luther, sieht Forderungen in Millionenhöhe auf den DJV zukommen: „Bei 1.000 Wechslern geht es jährlich um Mitgliedsbeiträge von etwa 200.000 Euro. Da die Mitgliedschaft im DJV vielfach eine Mitgliedschaft auf Lebenszeit ist, muß der DJV-Bundesverband mit einer Millionenforderung rechnen. Während der DJV-Bundesverband und seine Landesverbände also einerseits die kleinen neuen Vereine in Berlin und Brandenburg allein im Jahr 2005 mit 330.000 Euro unterstützen, wird er an den DJV Berlin und den DJV-Brandenburg einen noch viel höheren Betrag als Schadensersatz zu zahlen haben. Das wird zu einem wirtschaftlichen Desaster für den DJV-Bundesverband führen.“

Für Torsten Witt, Vorsitzender des DJV-Brandenburg, ist die Auffassung des Gerichts „eine schallende Ohrfeige für den Bundesvorstand“. „Mit der Entscheidung des Landgerichts ist klar: Wir sind die Nummer eins in Brandenburg. Trotzdem sollen wir den rechtswidrig aufgenommen zweiten Landesverband dulden - das verfestigt nur die unklaren Strukturen in den beiden Bundesländern. Für den DJV wäre es höchste Zeit, sich aktiv für eine einheitliche Struktur in Berlin und Brandenburg einzusetzen“.

Der Aufnahme der beiden neuen Vereine in Berlin und Brandenburg war der Ausschluß des DJV Berlin und des DJV-Brandenburg vorausgegangen. Jedoch haben das Kammergericht in Berlin und das Brandenburgische Oberlandesgericht bereits festgestellt, daß diese Ausschlüsse rechtswidrig sind. „Ausschluß und Neuaufnahme kosten den DJV schon jetzt weit mehr als eine halbe Million Euro - die Rechnung zahlen die Mitglieder. Und anstatt nach gemeinsamen Lösungen zu suchen, verweigert der Bundesvorstand hierzu jedes Gespräch“, beklagt Torsten Witt.

Jan Luther, Stellv. Vorsitzender DJV Berlin http://www.djv-berlin.de/
Torsten Witt, Vorsitzender DJV-Brandenburg www.djv-brandenburg.de

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